Noch ein Treppenhaus in Shanghai (Magic Letters)

Noch ein Treppenhaus in Shanghai

Mit unserem Umzug kam auch ein neues Treppenhaus. Und das sieht so aus.

Unser neues Haus ist mal wieder so ein sechsstöckiger Wohnblock aus den späten 80ern. Das schlichte Treppenhaus ist wie üblich ganz in Rohbeton gehalten, sämtliche Leitungen verlaufen oberirdisch. Zweckmäßigkeit geht eben vor Schönheit. Das finden offensichtlich nicht alle Bewohner. Denn manche versuchen durchaus ihren Flur zu dekorieren, zum Beispiel so:

Dekoration im Treppenhaus, Shanghai
Deko-Tipp: Erst durch eine Zahnpastaverpackung in der Styroporschachtel kommt der Plastikzweig so richtig zur Geltung

Wer seine Wohnung renoviert, fliest einen Teil des Treppenhaus mit den Resten. So gibt es in einem Stockwerk ein paar hellblaue Fliesen, in einem anderen rote, braune und weiße, im nächsten orangefarbene zu bewundern. Gelegentlich liegt auch mal ein Stück eingestaubter Teppich am Boden.

Die Lichtverhältnisse sind katastrophal. Zwar brennt im Treppenhaus rund um die Uhr Licht (sofern es nicht kaputt ist), aber ein 30-Watt-Birnchen kann in dem fensterlosen Gemäuer wenig ausrichten. Zum Glück schließt an das Treppenhaus ein Lüftungsschacht an, durch den wenigstens ein paar Lichtstrahlen hereinfallen (oder Regen oder was so aus den Fenstern fällt). So ein Lüftungsschacht eignet sich auch perfekt dazu, Mülltüten oder Wischmops zu lagern. Mit Haken und Draht ist schnell eine Aufhängvorrichtung dafür gebastelt.

Lüftungsschacht im Treppenhaus, Shanghai
Lüftungsschacht – Licht am Ende des Tunnels

Je weiter man nach oben kommt, umso mehr Gerümpel steht herum. Ratet mal, wo wir wohnen. Genau. Ganz oben. Unser Flur sieht deshalb so aus:

Treppenhaus in Shanghai
Unser Stockwerk geizt nicht mit Reizüberflutung

Tagsüber sitzt hier noch ein schwarzer Vogel, der uns gern mit »konnichi-wa« begrüßt. Inzwischen kann er »guten Tag« nicht nur auf Japanisch. Eine Frau hat ihm die chinesische Variante »nǐ hǎo« beigebracht. Allerdings hat der Vogel Probleme mit den Tönen, so dass er dabei eher wie ein Esel klingt. »Iiii-aaaaa«.

Außerdem wohnen wir wortwörtlich Tür an Tür mit unseren Nachbarn. Gleichzeitig die Türen zu öffnen führt regelmäßig zu halben Unfällen.

Wir haben inzwischen ebenfalls Dinge ins Treppenhaus ausgelagert: zwei Eimer und einen Wasserspender. Herr M. hatte zunächst Bedenken. Was, wenn das Zeug gestohlen wird? Immerhin gehört es den Vermietern, nicht uns. Ich konnte mir dagegen schlecht vorstellen, dass in so einem vollgemüllten Treppenhaus gestohlen wird – und stellte die Sachen nach draußen. Schon am nächsten Abend waren sie weg. Mist!

Herr M. wandte sich an den nächstbesten Nachbarn, der prompt Bescheid wusste: »Ach so, ich dachte, das ist Müll. Vorhin hat jemand Müll runtergebracht, da hab ich ihm euer Zeug mitgegeben.« Wir hatten Glück. Wir fanden den Wasserspender und die Eimer an den Mülltonnen, schon ordentlich zum Abtransport in einen großen Sack verpackt. Jetzt stehen die Sachen wieder im Flur – und diesmal nimmt sie keiner mehr weg. Sie gehören jetzt offiziell zum Inventar.


Ihr habt noch nicht genug von chinesischen Treppenhäusern? Dann schaut euch doch mal unser altes an. Da gibt es sogar einen kompletten Rundgang!

Das ist mein Beitrag zum Fotoprojekt »Magic Letters« von Paleica. Das Thema war I – Innen. Wollt ihr auch mitmachen? Dann schaut für genauere Informationen bei Paleica vorbei (Klick aufs Logo).

Magic Letters

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30 Gedanken zu “Noch ein Treppenhaus in Shanghai (Magic Letters)

  1. Das mag zwar auf den ersten Blick chaotisch wirken, aber irgendwie ist es auch praktisch, wenn man einfach mal alles was gerade in der Wohnung keinen Platz findet raus stellen kann xD
    Mein erster Gedanke bevor ich den Post las war allerdings auch „Wird da nich geklaut?“: ^^

    1. Oh ja, das ist total praktisch, wenn man sein Zeug draußen deponieren kann. In der letzten Wohnung hatten wir auch eine Matratze und ein halbes Bett draußen stehen 😉

      Wenn man ehrlich ist, steht da im Treppenhaus nichts von Wert. Und z.B. so Eimer sind zwar praktisch, aber hat man ja selber schon. Ich glaube aber, dass es da eher so ein heimliches Einverständnis gibt: „Ich klau dir nix, du klaust mir nix.“ Wer will schon mit Dieben zusammen leben?

  2. Mal wieder ein toller Bericht von dir, der einen der faszinierenden Aspekte Chinas beleuchtet. Wenn Magic Letters ein Wettbewerb wäre, hättest du einen Preis verdient.

    Zum Treppenhaus selber: Aus Brandschutzgründen sollte da eigentlich gar nichts rumstehen. Andererseits sind aber chinesische Wohnungen manchmal so unglaublich klein, dass das Verhalten der Bewohner wieder verständlich ist. Die dichtere Packung der Gegenstände im obersten Stockwerk habe ich übrigens auch schon in Deutschland kennengelernt.

    1. Stimmt, brandschutztechnisch ist das natürlich eine Todesfalle. Aber darüber macht man sich in China nicht unbedingt Gedanken … Hoffen wir mal, dass nie ein Feuer ausbrechen wird.

      Komisch, dass auch in Deutschland oben mehr ist. Vielleicht fühlt man sich oben sicherer, dass nichts wegkommt?

  3. danke für die sehr schöne und persönliche umsetzung des themas, gefällt mir wirklich gut! und es sieht einfach sooo anders aus als bei uns 🙂 das ist schon eher china, wie man es sich hier vorstellt 😉

    1. In diesen alten Häusern wohnen viele alte Leute und die leben halt noch so wie früher. Deshalb passt es wohl so gut zu dem Bild, das man noch so von China hat 😉 Ich denke mal, dass es im Treppenhaus von Neubauten, wo junge Leute wohnen, vielleicht anders aussieht. Aber in den Wohngenuss bin ich bis jetzt noch nicht gekommen 😀

      1. Aha, dann vielleicht „jetzt“?

        Bei Facebook braucht man zum Kommentieren doch einen Account, oder? Und den nutze ich nicht 🙂

    1. Zeitplan wäre gut. So sind die Türen schon ein paar mal ineinander gekracht. Unsere Nachbarn lassen inzwischen z.B. wenn sie Frühstück kochen, die Tür ganz weit aufstehen, dann können wir unsere ohne Probleme öffnen. Habe da aber immer das Gefühl, dass ich denen durch die Küche latsche. Na ja, so kann man sich auch näher kommen 😉

      1. Genau, so wird der Nachbar zum Familienmitglied. Die wollen euch bestimmt zum Frühstück einladen. 😉 Ihr solltet die Türen durch Vorhänge ersetzen. Das knallt nicht so! 😉

  4. Abenteuerlich die Lage der Türen. :-))) Pao Pao scheint das alles ganz interessant zu finden, so wie er sich neugierig umblickt. Hat er sich schon eingelebt?
    Herzliche Grüße, Eberhard

    1. Ja, der hat sich gut eingelebt. Die Wohnung ist bereits sein Königreich. Den Flur findet er zwar interessant, aber allein setzt er da keinen Fuß raus. Und wenn er irgendwo Menschen auch nur sprechen hört, ist er ganz schnell wieder drin 😀

  5. Sehr schön. Habt ihr eigentlich auch Untermieter, die keine Miete zahlen, also: Ratten, Mäuse und andere Nagetierchen, oder kommen die nicht durch die Tür? 🙂 In afrikanischen Betonhäusern habe ich allerdings auch schon Müllschächte gesehen. Aber die blieben besser zu…

    1. In dieser neuen Wohnung waren bis jetzt außer Termiten noch keine Untermieter da – in den Wohnungen davor jeweils eine Maus und diverse Kakerlaken. Aber unser Kater ist da ein zuverlässiger Kammerjäger 😀

  6. Klasse, dieser Einblick. Das erinnert so ein wenig an gute alte WG Zeiten in unsaniertem Altbau. Ist bestimmt gewöhnungsbedürftig, mit all diesem Chaos zurecht zu kommen. Andererseits sind diese Treppenhäuser nicht so steril wie es hier üblich ist.
    Danke für den lebhaften Einblick.
    VG Jan B.

  7. Ich habe schon den Beitrag über deine Wohnungssuche gelesen und war beeindruckt. Das relativiert doch unsere Wohnungsansprüche. So sieht es also in Shanghai „innen“ aus. 🙂
    vg Lucy

  8. Klasse, dass der Eimer und der Wasserspender als „Müll“ anerkannt wurden, wo doch scheinbar so viel davon im Flur steht 😆 Aber es wird alles in Ordnung gehalten 🙂 Die Tür an Tür Nummer ist ja krass 🙂
    Schön das PaoPao sich schon eingewöhnt hat 😀
    Viel Glück im neuen Heim.
    Schnurrer Engel und Teufel

    1. Der dachte sich wahrscheinlich: „Den Müll kenn ich noch gar nicht, kann man bestimmt wegwerfen.“ Der andere Müll gehört ja quasi schon zur Einrichtung 😉

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