Was schenkt man sich eigentlich zum chinesischen Neujahr?

Was schenken sich Chinesen zum Frühlingsfest, Geschenke zum chinesischen Neujahr

Das Neujahr nach dem Mondkalender ist für die Chinesen das wichtigste Fest im Jahr. Jeder möchte in dieser Zeit Familie und Verwandte besuchen. Im Gepäck: ein Haufen Geschenke. Doch was schenkt man sich in China eigentlich?

Was schenken die Firmen ihren Mitarbeitern?

Kurz vor dem Frühlingsfest zahlen viele Firmen ihren Angestellten einen Neujahrsbonus. Der ist auch dringend notwendig, denn die Verwandtschaft ist groß und entsprechend viele Geschenke gehen ins Geld.

Die Firma von Herrn M. gibt außerdem Sachgeschenke aus – das ist meistens ein großzügiger Gutschein für einen Online-Shop, der überteuerte Import- und Bioprodukte verkauft, und ein Haushaltsgerät, das kein Mensch braucht (und falls doch, so hat er es längst). Dieses Jahr bekamen wir z.B. einen unhandlichen Anti-Milben-Polstersauger mit Ultraviolettstrahlung, der jetzt zusammen mit der Kaffeemaschine und dem National-Geographic-Rucksack der letzten Jahre auf dem Schrank sein originalverpacktes Dasein fristet.

Anti-Milben-Polstersauger mit Ultraviolettstrahlung
Den haben wir uns schon immer gewünscht – Anti-Milben-Polstersauger mit Ultraviolettstrahlung

Wem und wie schenkt man Geld?

红包 (hóngbāo = rot + Packung) – Rote Umschläge

Besucht man eine Familie, überreicht man den Kindern einen roten Umschlag mit Geld. Normalerweise ist das Geschenk unverheirateten Kindern vorbehalten, aber in der Realität stecken die Älteren der jüngeren Generation trotzdem noch oft etwas zu. Der Betrag ist eigentlich egal – es sollte nur eine runde Zahl sein.

Kinder profitieren gleich zweimal davon. Zum einen kommt bei einer großen Verwandtschaft ein ganz nettes Sümmchen zusammen. Zum anderen soll der meist goldbedruckte Hongbao die Kinder über die Neujahrstage vor bösen Geistern beschützen. Falls doch ein Geist auftauchen sollte, kann man ihn mit dem Geld aus dem Umschlag ruhigstellen.

roter Umschlag, hongbao
Hongbaos dürfen auch mehrmals verwendet werden, wie man an dem zerknitterten sieht

Virtuelle Hongbaos

Seit einiger Zeit kann man die roten Umschläge auch in der Online-Variante verschenken, z.B. über WeChat (dem chinesischen WhatsApp). Dort füllt man einen virtuellen Umschlag mit einem bestimmten Betrag, z.B. 100 RMB, und stellt ein, an wie viele Personen man das Geld verteilen möchte. Die schütteln dann ihr Handy und bekommen einen zufällig berechneten Anteil gutgeschrieben. Ich bin so immerhin zu 3,48 RMB (rund 40 Cent) gekommen, wow.

WeChat verteilte am Frühlingsfest ebenfalls virtuelle Hongbaos an seine Nutzer. Weil wir auch etwas gewinnen wollten, schüttelten wir minutenlang wie blöd unsere Handys – zusammen mit dem Rest der Nation. Denn die über 20 Millionen roten Umschläge waren schon nach wenigen Minuten vollständig geöffnet.

Wir haben übrigens nur leere Umschläge erschüttelt. Wahrscheinlich hatten die anderen Leute die besseren Glücksunterhosen an. Irgendwie eine lustige Vorstellung, wie Millionen von Menschen gleichzeitig in roter Unterwäsche ihre Handys schütteln …

Virtuelle
Noch über 17 Millionen Chancen bei WeChat übrig – schnell weiterschütteln! Schon zwei Minuten später war die Aktion zu Ende. Wir hatten leider kein Glück …

Wie nimmt man einen roten Umschlag an?

»Ein roter Umschlag muss zunächst mehrmals höflich abgelehnt werden«, schreiben die Bücher. »Er muss immer mit beiden Händen überreicht und ebenso beidhändig angenommen werden.«

In der Realität geschieht dies durchaus laut und theatralisch; raumgreifend. Da wird die Übergabe unter großem Geschrei und Gezeter zum Handgemenge, in der Hoffnung dem anderen das Geld in die Jackentasche stecken zu können. Hat was von Kneipenschlägerei im harmlosen Jackie-Chan-Stil. Am Ende wechselt der inzwischen ramponierte Umschlag dann doch immer den Besitzer. Ein perfekt durchchoreographiertes Spiel.

Ehrlich gesagt, ist es mir ja immer noch unangenehm, Geld von alten Leuten anzunehmen, die mit einer monatlichen Rente von vielleicht 100 Euro auskommen müssen. Aber das Geld am Ende nicht anzunehmen, wäre auch wieder unhöflich. Zum Glück gibt es die Möglichkeit, die Alten wenigstens ein bisschen zu entschädigen. Es gibt ja noch die Sachgeschenke.

Welche Sachgeschenke schenkt man?

Kurz vor dem Neujahrsfest wird in den großen Supermärkten der Ausnahmezustand ausgerufen. Die Schutzwälle aus roten und goldenen Schachteln, die die Mitarbeiter für das Frühlingsfest aufgeschichtet haben, überleben nur kurz. Heerscharen von Menschen reißen sie nieder und stellen sich nicht selten mit drei Einkaufswagen voller Geschenkpakete an die Supermarktkasse.

Sich gezielt etwas zu wünschen (z.B. ein Buch) und es zum Fest dann auch zu bekommen, ist ziemlich unüblich. In den Läden ist nämlich genau vorgegeben, was als Geschenk durchgeht. Geheimer Leitfaden scheint zu sein: Nur was einen praktischen Tragegriff hat, zählt als Geschenk.

In den üppigen Verpackungen befinden sich hauptsächlich Lebensmittel, die meistens billiger sind, wenn man sie einzeln kauft – aber ohne die klobige Verpackung macht es nicht so viel her. Außerdem will man zum Frühlingsfest nicht geizig erscheinen und packt gönnerhaft Schachtel um Schachtel in die Wagen.

Und was kauft man nun für die Verwandtschaft? Hier sind ein paar ausgewählte Klassiker:

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Jackpot! Wir haben die wertvollsten Nüsse abgestaubt

  • Danish Buttercookies: Diese 08/15-Kekse in den runden blauen Blechdosen verfolgen mich in ihrer Langweiligkeit seit meiner Kindheit. Als ich sie manchmal in Hongkong-Filmen gesehen habe, habe ich mich noch gefreut ob der Internationalität. In China scheinen andere Kekse kaum relevant zu sein. Danish Buttercookies in Hülle und Fülle, argh! Zum Glück werden Oreo-Kekse immer beliebter und zum Frühlingsfest ebenfalls in großen Blechdosen verscherbelt.

  • Nüsse: Nüsse sind als Geschenk sehr beliebt, weil sie für Wohlstand stehen. Obendrein sind sie auch in China ziemlich teuer, vor allem wenn in den Packungen auch Macadamian-Nüsse etc. enthalten sind. In unserer Familie gelten sie als das bestmögliche Geschenk.

  • Honig: Ich weiß nicht, was die Leute mit kiloweise Honig machen, aber er wird gern an die älteren Generationen verschenkt.

  • Milch- und Proteinpulver: Pulver sind beliebte Geschenke für Menschen ab fünfzig, weil sie als hochgesund gelten. Auch traditionellere Pulverchen kaufen wir gern für die Großeltern. Damit kann man dann Brei mit Walnuss- oder Lotuswurzelgeschmack zusammenmischen. Essen die Alten das wirklich so gern?

  • Milchgetränke: 100% pure Milch aus Australien oder Neuseeland ist als Geschenk sehr beliebt und zwar in Mini-Tetrapacks im sündteuren 12er-Set. Chinesen trinken neuerdings gerne Milch? Pah! Sie haben ja keine Wahl! (Insgeheim glaube ich ja, dass man die Milch den Leuten schenkt, die man am wenigsten mag.)

  • Obst: Auch Obst wird zum Frühlingsfest in überteuerten Geschenkboxen oder –körben angeboten und wird gern verschenkt, z.B. zwölf in einer Box mit Sichtfenster parallel angeordnete Kiwis für 200 RMB.

Inzwischen zieht auch die Spielzeugindustrie mit. Kinder bekommen also immer häufiger »richtige« Geschenke, z.B. Lego, Barbie-Puppen oder ferngesteuerte Hubschrauber.

Ob der teure Schnaps, den die Männer zu den Festgelagen mitbringen, auch als Geschenk zählt, weiß ich nicht. Er wird nämlich immer direkt an Ort und Stelle vernichtet – und zwar in Rekordzeit!

Funing Big Cake, traditioneller chinesischer Kuchen
Traditioneller Funing-Kuchen für die Kinder

Nüsslein, Nüsslein, du musst wandern …

Das Schenken und Beschenktwerden wird schnell zur Farce. Denn jedes Mal wenn wir mit Geschenken zu einer Tante kommen, drückt sie uns beim Gehen irgendein anderes Paket in die Hand (meistens Milch, die scheint keiner zu mögen).

Manchmal kommt mir die ewige Schenkerei vor wie ein Spiel. Jeder Spieler startet mit einer Auswahl an Geschenkpaketen, sammelt weitere ein und verschenkt alles weiter, was er nicht mag. Sieger ist, wer zum Ende der Feiertage die meisten Nüsse einheimsen konnte. Und das sind bestimmt wir. Denn meine Schwiegermutter zieht sofort jede Box mit Nüssen aus dem Verkehr – und gibt sie uns mit, wenn wir zurück nach Shanghai fahren.

Über welche der obigen Geschenke würdet ihr euch freuen?


Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Wissenswertes zum chinesischen Frühlingsfest“.
chinesisches Frühlingsfest, Neujahrsfest, China

24 Gedanken zu “Was schenkt man sich eigentlich zum chinesischen Neujahr?

  1. Gibt’s die Danish Cookies hauptsächlich zu CNY und sonst eher nicht so? Das erklärt auch, warum das im Carrefour ganze Regale eingenommen hat. Ich hab heute mal eine kleine Packung (ohne Dose – das war auch für mich neu!) gekauft, aber auch eher, weil ich da ein Mal in fünf Jahren Bock drauf hatte.

    Unser Fahrer hat Felix vor CNY ein sehr lustiges, blinkendes und lautes Spielzeug mitgebracht und heute, nach seinem Urlaub noch mal einen roten Umschlag. Das war mir total unangenehm, denn wir haben ihm zwar auch was gegeben und waren auch nicht so knausrig, wie einige das vorgeschlagen haben, aber… Naja. Im Verhältnis bleib für ihn wahrscheinlich gar nicht mehr so viel übrig und das ist ja nicht Sinn der Sache. Aber das ist eben wie beim Weihnachtsgeld, schätze ich.

    1. Die Kekse gibt’s auch ohne Dosen? Wusste ich gar nicht, weil ich denen ja eher fernbleibe (hallo, Kindheitstrauma ;-)). Die Kekse gibt’s aber das ganze Jahr über – wie die restlichen Geschenke auch. Bloß zum CNY werden die so prominent aufgereiht.

      Ja, mit dem Weihnachtsgeld ist das gut vergleichbar. Von so einem Bonus bleibt z.B. auch nicht viel über, weil man so viele Geschenke kaufen muss. Und das verschenkte Geld? Damit entschädigt man im Grunde ja nur irgendwie für die Geschenke, die man selbst bekommt.

      Im Endeffekt wäre es wahrscheinlich sinnvoller, wenn sich jeder eine Packung Nüsse kauft und gut is‘ 😀

      1. Ja, ich war auch überrascht. Ich kenne die sonst nur mit Dose und habe direkt den leicht staubigen Geschmack im Mund. 😀

        Oh, das habe ich mir bei diversen Geschenken schon gedacht. Aber es ist halt nicht dasselbe.

      1. Einen Akkusauger schon. Aber einen mit eingebautem Milbenvernichter und UV-Bestrahlung – dafür hat es dann noch nicht gereicht *seufz*

      2. Ich hätte hier ja einen nagelneuen im Angebot. Aber Vorsicht: Versand aus China, das wird teuer 😀 (von einer chinesischen Marke ist er auch noch, die sich Xiao Gou – Hündchen – nennt … na ja …)

      3. Ähm, ne, öhm, Danke für das Angebot. Vielleicht, wenn wir mal nach Shanghai kommen – dann als Gastgeschenk – im Gegenzug gibt es dann von uns Kekse… *duckundweg*

    1. Ohne Backofen geht das schlecht 😉

      Die Nüsse knabbern wir so. Sie sind sowieso schon gewürzt und würden wohl nicht so gut zu einem süßen Kuchen passen.

  2. Ojee, das ist wie bei uns mit dem Ablehnen. Szenario: Wir gehen mit den Schwiegereltern essen. Erst einmal versuchen beide Parteien (Schwiegermutter und mein Mann) so schnell wie möglich zu zahlen, einer von beiden bekommt sein Geld in die Hände der Bedienung, woraufhin die andere Partei versucht ihr Geld der anderen in die Hand zu drücken / in die Tasche zu stecken. Letztendlich zahlen immer die Schwiegereltern. Aber ohne das Spektakel ist es wohl nichts wert.

  3. Das ist in Korea ganz ähnlich ^^
    Bisher habe ich leider noch an keinem Neujahrsfest teilnehmen können, da ich zu der Zeit ja immer in Deutschland bin. Aber wer weiß vielleicht in Zukunft mal 😀

  4. Die Funktion bei Wechat ist mir nach dem letzten Update auch aufgefallen, aber dass man was gewinnen konnte, wusste ich nicht. Finde das mikropayment bei wechat jedoch auch so ganz praktisch.

    1. Dass man was gewinnen konnte, wurde in der Neujahrsgala angesagt, sonst hätte ich es wohl auch nicht gewusst. Ansonsten habe ich die Funktion aber noch nicht genutzt …

  5. „Sieger ist, wer zum Ende der Feiertage die meisten Nüsse einheimsen konnte.“ 🙂
    Herrlich beschrieben, und sehr informativ!

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