Xishan (Taihu) – Geheimes Paradies vor den Toren Suzhous

Xishan, Taihu

[Flashback.] Shanghai, Juli 2012: Nachdem wir eine mehrwöchige Hitzewelle von konstant 37°C überstanden haben, ist es mal wieder Zeit für einen größeren Ausflug. Ziel soll die Insel Xishan sein, die im Taihu liegt. Das ist Chinas drittgrößter See, der sich über Shanghais Nachbarprovinzen Jiangsu und Zhejiang erstreckt und angeblich fast so groß wie Bayern ist. Wow. China macht keine halben Sachen.

Raus aufs Land

Der klapprige Linienbus rumpelt vom Suzhouer Nordbahnhof aus quer durch die Stadt. Das ist die ungünstige Strecke, fast sechzig Kilometer! Die Stadt will und will kein Ende nehmen. Die letzte halbe Stunde weist die Straße mehr Schlaglöcher denn Bodenbelag auf. Draußen staubt es von unzähligen Baustellen.

Die Bebauung wird endlich lichter, die Gebäude bescheidener. Häuschen ohne Zukunft. Ein paar sind schon abgerissen, an anderen Stellen stehen bereits die ersten kitschigen Ferienvillen in Reih und Glied. Dann tauchen endlich der Taihu und die Brücke zur Insel Xishan auf.

Geheimtipp Xishan

Das Schöne an Xishan ist, dass die Insel selbst unter chinesischen Touristen (noch) als Geheimtipp gilt. Dabei hat Xishan sogar einige Sehenswürdigkeiten zu bieten und besteht zu einem großen Teil aus einem Nationalpark.

Hauptsächlich wohnen jedoch Bauern auf der Insel, die sich auf Obst, Tee und Gemüse spezialisiert haben. Auf jedem freien Fleckchen wachsen also Tee, Taro, Pfirsich- und Pflaumenbäume oder Weintrauben, meistens alles durch- und sogar übereinander. Da schlängeln sich die Gurken doch tatsächlich die Obstbäume empor!

Landleben
Xishan ist grün

Langsames Inselleben entschleunigt. Obwohl wir nur für ein Wochenende rausgefahren sind, kommen wir uns vor wie im Urlaub. Entspannt reihen wir uns ins beschauliche Gefüge, schlendern ohne Ziel die ruhige Landstraße entlang. Bei einer alten Frau, die am Straßenrand kauert, kaufen wir frische Lotussamen, die gerade Saison haben. Ständig werden wir von einer dreirädrigen Mitfahrgelegenheit belagert, die uns in ein kleines Touristendorf bringen will – zumindest solange, bis das Gefährt mit kaputtem Motor zurückbleiben muss.

Am Ufer des Taihu (Klick aufs Bild für das Panorama im Großformat)

Shigong Shan – Kleiner Nationalpark

Zwar hat Xishan noch einen größeren Nationalpark zu bieten, aber unsere Zeit reicht leider nur für den kleinen Shigong Shan. Wir haben den Berg mit seinen Treppchen, Felsen, Brücken, Grotten und Pagoden fast für uns allein! Oben stoßen wir auf ein uraltes Kloster, auf dem sich während der Kulturrevolution ein berühmter Kung-Fu-Mönch und noch viel früher ein kaiserliches Paar versteckt hielt.

An manchen Stellen vergessen wir fast, dass der Taihu nur ein See ist. Die unendlichen Weiten des Wassers, die sich irgendwo ganz weit hinten im Dunst verlieren, könnten genauso gut das Meer sein. Dabei befinden wir uns sogar auf der Seite der Insel, die dem Festland zugewandt ist. Wenn wir uns anstrengen, können wir hinter grünen Inselchen Anzeichen von Suzhou sehen, wie die Silhouetten einer anderen Welt.

Leckeres Essen

Auf der Suche nach einem Restaurant für das Abendessen machen wir eine kleine Nachtwanderung. Um uns herum fast nichts als Natur, das hatten wir schon lange nicht mehr.

In den Büschen zirpen die Zikaden, während über unseren Köpfen die Fledermäuse kreisen und verplante Kröten auf die Straße krabbeln. Gut, zumindest die Zikaden und Fledermäuse hat man auch in der Stadt. Dafür gibt es hier kaum Verkehr, kaum andere Menschen und eine Nacht, die uns in echte Dunkelheit hüllt.

Der Weg von unserem Hotel ins nächste Dorf ist weit. Auf Konsum müssen wir trotzdem nicht verzichten. Überall an der Straße verkaufen die hiesigen Bauern ihre Früchte an primitiven Ständen. Die Bäuerinnen überlassen uns nicht nur die süßesten Pflaumen und Weintrauben, sondern versuchen auch noch mit mir auf Chinesisch Konversation zu treiben, was sich natürlich nur in der Theorie toll anhört. Immerhin lerne ich von ihnen zìjǐ zhòngde, selbst angepflanzt.

Wo das nächste Restaurant ist, wollen wir wissen. Über die große Brücke, eine Insel weiter.

Obstverkäufer auf Xishan
Freudige Überraschung zu Hause: »Unsere« nette Obstverkäuferin hat es unbemerkt auf ein Foto geschafft

Die Brücke beherbergt eine vierspurige Straße und schmale Gehwege, nur schummrig beleuchtet. Der warme Wind pfeift uns um die Ohren, reißt an unserer Kleidung. Sprechen ist sinnlos, denn der Wind verschluckt unsere Worte. Wir können kaum etwas sehen. Nur hin und wieder bohren sich die Scheinwerfer entgegenkommender Fahrzeuge ins Dunkel.

Dann sind wir auf der kleinen Insel. Ein paar lieblos hingestellte Baracken beherbergen tatsächlich Restaurants. Wir bestellen die Spezialitäten der Region: zwei große Fische und eine Portion gekochte Kleeblätter.

Xishan – Ein Traum

Die Kellnerin wird von einer Babykatze begleitet, die ihr auf Schritt und Tritt folgt und auf jedes liebevolle Wort hört. Wir sind verliebt. Nicht nur in die Katze, auch in die Insel, das Leben, die Menschen hier. Wir wollen wieder kommen. Vielleicht ein Bauernhäuschen kaufen, fürs Wochenende, träumen wir.

So unrealistisch ist das nicht einmal. Von Shanghai kann man mit Bus und Bahn in rund zwei Stunden hier sein, die Immobilienpreise sind erschwinglich. Ein Traum, der uns zwei Jahre später immer noch nicht ganz losgelassen hat. Xishan, wir werden wieder kommen!

Shigong Shan, Xishan, Taihu

23 Gedanken zu “Xishan (Taihu) – Geheimes Paradies vor den Toren Suzhous

  1. Sehnsucht! Tja, Du sollst es als eine der ersten erfahren: Ich muss meine China-Reise verschieben. Habe kurzfristig einen interessanten Teilzeitjob angenommen. Naja, später im Harr wird es vielleicht etwas wärmer sein! LG Ulrike

    1. Och, das ist aber schade! Ich hatte mich schon so auf unser Treffen gefreut 😦

      Auf jeden Fall wünsche ich dir mit deinem neuen Job alles Gute! (hat er was mit China/Reisen zu tun? ;-))

      1. Danke! Ja, ich hab mich auch sehr darauf gefreut, Dich kennen zu lernen. Aber das ist ja nur verschoben.Und ja: Der Job hat sowohl mit China als auch mit Reisen zu tun. Nächste Woche berichte ich mehr. 😉

      2. Na, da bin ich aber gespannt, was du erzählen wirst! China und Reisen klingt ja so als wäre es der Job wirklich wert, dass die China-Reise verschoben wird 😀

    1. Momentan (also vor zwei Jahren) ist es da wirklich noch sehr unberührt. Bis auf die Bauern halt, aber die pflanzen im Einklang mit der Natur. Hoffentlich bleibt es dort noch lange so (ein paar Villenviertel wurden damals gerade gebaut, hoffen wir mal, dass die Insel dadurch nicht verschandelt wird)!

  2. Das sind wirklich wunderschön aus! Solche kleinen Oasen der Ruhe und wo man sich fühlt wie im Urlaub, wenn man nur zwei Tage dort ist, haben einen unschätzbaren Wert in unserem Alltag.

    Hoffentlich bleibt die Insel so und wird nicht von irgendwelchen geldgierigen Heinis überlaufen…

  3. Vielen Dank für den super Tipp. Als ich vor ein paar Jahren den Taihu besuchte, gefiel er mir überhaupt nicht gut. Ich gebe zu: Das lag daran, dass ich mich nicht vorbereitet hatte und nicht so recht wusste, wo ich hingehen sollte. Sollte ich noch einmal in die Region kommen, werde ich dem See nochmals eine Chance geben und den Xishan besuchen.

    1. Bitte, gern 🙂 Ich weiß allerdings nicht, wie die Insel inzwischen ist. Wir waren das letzte Mal vor zwei Jahren dort (2014 Jahr haben wir es leider nicht mehr geschafft). Und in der Zeit kann sich ja vieles verändern …

    1. Ach, das ist eigentlich mehr so eine Spinnerei von uns. Realistisch gesehen würde man das vielleicht drei Wochenenden im Jahr benutzen, das lohnt sich nicht wirklich 😀

      1. da hast du natürlich acuh wieder recht. aber wann sollte man träume schon von der realistischen seite betrachten?

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